Samstag, 14. November 2009

Zwei russische Märchen (russisch/deutsch)

Sammlung Alexander Afanasjews
Russische Zaubermärchen
Reclam, Russisch/Deutsch, Hrsg. u. Übers. von Martin Schneider, 206 S., ISBN: 978-3-15-018263-5, EUR (D) 6,00
Tschuda-Judo und Baba-Jaga – fremdartige und doch vertraute Wesen bevölkern den russischen Märchenwald. Alexander Afanasjew (1826-71) sammelte die Märchen nach dem Vorbild der Brüder Grimm; für diesen Band wurden elf der schönsten Texte ausgewählt und neu ins Deutsche übersetzt. Im Nachwort erklärt der Herausgeber u.a. die Zusammenhänge mit der deutschen Märchentradition.
Inhaltsverzeichnis: Das goldene Fischlein - Baba-Jaga - Die wunderschöne Wassilissa - Frolka-Stubenhocker - Iwan Bykowitsch - Der unsterbliche Koschtschej - Das Märchen von Iwan-Zarewitsch, dem Feuervogel und dem grauen Vogel - Der Meereszar und die weise Wassilissa - Schwesterchen Aljonuschka, Brüderchen Iwanuschka - Bis zu den Knien im Gold, bis zu den Ellenbogen im Silber - Die kluge Jungfrau und die sieben Räuber.

Alexander Puschkin
Das Märchen vom Zaren Saltan und seinem Sohn, dem berühmten und mächtigen Heldenfürsten Gwidon Saltanowitsch, und der wunderschönen Schwanenprinzessin
Reclam, Russisch/Deutsch, Hrsg. u. Übers. von Kay Borowsky, 79 S., ISBN: 978-3-15-018126-3, EUR (D) 3,00
Dimitrij S. Mirskij, einer der bedeutendsten russischen Literaturhistoriker, schrieb über Puschkins wohl schönstes Märchen: "Reinste und zugleich universale Kunst, die das sechsjährige Kind ebenso anspricht wie den sechzigjährigen Belesenen. Es bedarf keiner tiefgründigen Interpretation und erschließt sich dem Verständnis direkt und unmittelbar. Es ist weder leichtfertig noch geistreich, noch humorvoll, wirkt aber leicht, erheiternd und erfrischend."

Leseprobe: Alexander Sergejewitsch Puschkin
Märchen vom Zaren Saltan, von seinem Sohn, dem berühmten, mächtigen Recken Fürst Gwidon Saltanowitsch, und von der wunderschönen Schwanenprinzessin.

Saßen spät drei junge Mädchen,
schnurrend ging ihr Spinnerädchen,
redet eine von den drein:
»Ach, könnt ich doch Zarin sein!
Für die ganze weite Welt
hätt ich selbst ein Fest bestellt!«
Sprach die zweite von den drein:
»Schwester, könnt ich Zarin sein,
aller Welt mit eigner Hand
webt ich feine Leinewand!«
Sprach die Jüngste von den drein:
»Kam ein Zar, um mich zu frein,
schenkt ich ihm auf seinen Thron
einen rechten Heldensohn!«
Kaum der Wunsch gesprochen ward,
als die Türe leise knarrt:
Zu den Mädchen, zu den drein,
tritt der Zar des Landes ein.
Draußen stand er bei dem Reden,
hört' die Wünsche einer jeden,
was die Jüngste grad gesagt,
hat am meisten ihm behagt.
Sagt der Zar: »Gruß dir, der Schönen,
dich will ich zur Zarin nehmen.
Und bis zum September schon
schenk mir einen Heldensohn!
Aber ihr, ihr beiden andern,
macht euch auf, mit uns zu wandern,
bei der Schwester sollt ihr bleiben,
was ihr wünscht, das sollt ihr treiben:
Eine soll als Köchin leben
und die andre Leinwand weben.«

Die drei Mädchen, wie sie waren,
folgten zum Palast dem Zaren.
Gleich am Abend ward die Braut
ihm als Zarin angetraut.
Zar Saltan im Kreis der Gäste
mit der Zarin saß beim Feste;
drauf die Ehrengäste schreiten
und das Hochzeitsbett bereiten,
fein geschnitzt aus Elfenbein;
und man ließ das Paar allein.
Weberin und Köchin einen
sich, ihr Schicksal zu beweinen;
und es einen sich die beiden,
ihre Herrin zu beneiden;
doch das junge Zarenpaar
machte sein Versprechen wahr:
Eh die Hochzeitsnacht vergangen,
war der Heldensohn empfangen.

Zu derselben Zeit gab's Krieg.
Zar Saltan sein Roß bestieg,
bat die Zarin, sich zu wahren
ihm zuliebe vor Gefahren. –
Und indes er ferne weilt,
stark von Kampf zu Kampfe eilt
mit den rauhen Kriegsgenossen,
ist die Kindesfrist verflossen,
und Gott schenkt ihm einen Sohn,
ellenlang geboren schon.
Ihren Sprößling pflegt die Zarin,
wie ihr Junges pflegt die Aarin;
einen Boten, einen raschen,
schickt sie, froh zu überraschen
ihren Zaren. Doch die beiden
Schwestern, die ihr Glück beneiden,
mit der Base Babariche
sinnen sie auf arge Schliche,
fangen ab den ersten Boten,
den die Zarin selbst entboten,
senden einen andern fort
mit der Botschaft Wort für Wort:
»Deine Zarin hat geboren,
doch Gott weiß, was dir erkoren,
's ist kein Sproß für deinen Thron,
keine Tochter und kein Sohn –
's ist nicht Frosch und ist nicht Maus:
sieht fast wie ein Untier aus.« - Puschkin im Projekt Gutenberg-DE

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